misia
?-1744

misia war ganz plötzlich da. in innsbruck. am hauptplatz redete sie die grimmig dreinschauenden tiroler:innen mit ihrem gebrochenen deutsch an: blumen, signora? blumen per la bella signora, signor? bittäää.

mit fluten in den augen, die die pupillen zu ertränken drohten. mit leerem sich im schleudergang befindlichem magen. sie waren geizige hund, die innsbrucker:innen. und einer nicht-dasigen katzelmacherin wollt man schon gar keinen kreuzer zustecken. lieber der kirche was spenden. der misia schenkten sie dafür großzügig schiefe mundlagen, rollende augen und arrogante lippenschnalzer. die männer auch mal einen groben grapscher, wenn die belle signore nicht hinschauten. aber. nicht alle waren scheinheilige xenophobe krümmlinge. es gab da 3, 4 oder fünf in der stadt, die ihr hie und da einen ihrer mickrigen blumensträuße abkauften, die sie mühselig in den frühen morgenstunden vor der stadt sammelte, manche, die ihr einfach so einen groschen oder ein hart gewordenes brot zusteckten. und bei einem durfte sie nachts sogar im stadl schlafen, wenn sie mit ihrer jungen mädchenhand das glück in seine hose streichelte während sie ihn kniend mit großen augen anhimmeln musste.

am 13. september 1744 fand man ihren leblosen körper in einer seitengasse. die bluse und den rock aufgerissen. am hals spuren einer strangulation. die herbeigerufenen gendarmen zuckten müde die schultern. die geht niemandem ab. war ja nur eine katzelmacherin. war ja nur eine frau. eine dirn. eine gefickte. die müh nicht wert.