hermine wittelsburger

1801-1835

immer wenn ihr mann das haus verließ, verrichtete hermine ihre hausfrauenpflichten, die ihr ungefragt um den hals gehängt wurden, so schnell wie möglich. so penibel wie möglich. so, dass der herr des hauses – ihr mann – nach seiner rückkehr nichts zu meckern hatte. aber auch keine minute des aufwands mehr. kein gramm energie mehr als notwendig. und während sie wischte, und schrubbte, und fegte, und rührte, und schnippelte, sponn sie bildgewaltige wortwelten, zauberte ein-zwei-drei-vier-zehnsilbige sprachschwaden, die in ihrem kopf eine welt pinselten, in der sie frei war.

und schwebte. und fühlte. all das, was man ihr von kindesbeinen an wegdiktiert hatte, das man ganz nach hinten in das „das-gehört-sich-nicht kastl“ mit dreifachschloss gesperrt hatte. kaum war das wischen, schrubben, fegen, rühren und schnippeln getan, huschte hermine an den esstisch und brachte all die gedankenfäden zu papier, schmiegte die worte so aneinander, dass aus ihnen ein fluss wurde, der alle, die darin schwommen, in ihre dramatisch-tief-und-hohen, aber immer weiten gefühlswelten entführte. das blatt vorm mund verschwand wenn sie schrieb, und verformte sich in poesie, die – hätte man sie je veröffentlicht – den strengen biedermeierinnen überwältigt und überfraut die röte ins gesicht gemalt hätte.

dass dies nicht passierte, dafür sorgte ihr mann, der gestrenge ludwig, vor dem sie das geschreibsel stets geheim hielt, nachdem er ihr gleich nach der hochzeit verlautbarte, dass er derlei unfug nicht unter seinem dach dulden würde. sie solle gebären. kinder. keine worte. dazwischen solle sie kochen, putzen, sticken und nähen. doch aus dem kindergebären wurde nichts. erst waren es nur fehlgeburten. später wurde sie gar nicht mehr schwanger. es blieb bei den wortgeburten. bis der ludwig eines tages unerwartet nachhause kam und die hermine beim lustvoll versunkenen gedichtegebären erwischte. er las kurz – mehr war nicht notwendig – holte aus und versetzte ihr einen schlag, der sie vom sessel auf den harten boden katapultierte. danach verbrannte er ihre papiere und notizbücher, verlor in seiner rage jedoch die vorsicht, und verbrannte dabei auch sich, die hermine und die wohnung.