resi pichler
1946-1967
die geschichte der resi ist eine geschichte unterdrückter wut. resi war ein stilles kind, die mutter streng katholisch. fluchen war da nicht. wir senken das haupt und sagen nicht oasch. aber sie war da die wut. immer dann, wenn sie in der schule wegen ihrer haare gehänselt wurde, wenn einer in der disco ihr auf‘n hintern geklatscht hat, wenn ihr der freund „gusch!“ ins gesicht gehustet hat, weil er ihre meinung nicht hören wollte. dann waren sie da. die worte. fick dich! geh scheissen! hurenbock elendiger! schleich di du wappler! ich hasse dich!
die worte waren da. haben sich geformt im schwimmbad ihrer echten gefühlen. da sind sie dann geschwommen ihre runden im oberstüberl. gesagt hat sie nichts. oder nur: in ordnung. passt. okay. oder gar: es tut mir leid. das wollt ich nicht.
wenn der aus dem zornzumpferl besudelte pool überschwappte, kam es schon mal vor, dass die tiraden ihrer wut ihr haar besiedelten. sie mussten raus. der mund war tabu. da waren sie dann, die phrasen des hasses, die kampfsätze, die verteidigerinnen ihres stolzes und schauten ihr zu, wie sie sich degradieren ließ. und manchmal, manchmal, wenn sie ihr haupt wütend schüttelte, dann flogen sie davon, weit nach draussen, über die weiten der niederösterreichischen steppe. und es tat sich ein sturm auf, der die marillen-, spargel- und weinernte der heimischen bauern mit faustgroßen hagelkörnern zerstörte. und die resi senkte ihr haupt und fühlte schuldig.
statt ihre frau zu stehen, laut zu werden, zu schreien, nein zu sagen, aufzustehen. hätt‘ sie den mut gehabt, hätt‘ sie die wut nicht bloß verdrängt, verschoben, sondern durch den mund ihrem freund entgegengeschleudert, hätt‘ es sich womöglich vermeiden lassen, dass dieser ihr mit unzähl’gen messerstichen das leben raubt.