helga plazenta von hohenwald
1900-1971

„schon wieder eine plazentaträgerin.“ das war die reaktion des vaters, als er das kind aus dem leib seiner frau holte. er tat das, weil das sein beruf war. seine berufung, wie er es sah. er war einer der führenden gynäkologen der stadt. professor doktor von hohenwald. es war nicht die liebe zu den frauen, die ihn berufen machte. viel mehr die neugierde, warum die weiber so minderbemittelt sind. die antwort war schnell gefunden. „der physiologische schwachsinn des weibes liegt in der gebärmutter begründet“, pathologisierte er die weiber vor seinen studenten auf der medizinischen fakultät.

dass helga, so nannte er die unliebsame neue brut, alles andere als schwachsinnig oder minderbemittelt war, sah er nicht. er sah sie alle nicht. nicht seine frau, nicht eine der drei töchter. schon gar nicht seine patientinnen. er sah nur den mangel in ihnen. die kalte schulter des vaters machte helga zu schaffen. sie grübelte viel, versuchte ständig anzudocken, beim vater, fuchtelte nervös um seine aufmerksamkeit. händeringend nach liebe. sich verzehrend. die mutter hatte längst dicht gemacht. auch da war nichts zu holen. und so wuchs sie in dieser käseglocke auf. nebst diesem schimmeldings, das ihr den atem abschnürte, weil es nach ignoranz, ablehnung und hass roch und ihr herz brach, weil es auch kein wort sprach. mit 17 entdeckte sie die männer für sich, die sie mit süßen worten umgarnten, mit augen liebkosten, lächelten, sanft über ihre hand strichen.

und weg war sie. ein unerschrockener köpfler in unbekannte tiefe emotionsgewässer. sie kannte die gefahren der hohen see nicht, verlor sich in einem strudel, den ein hundsgemeiner wiener strizzi in bewegung setzte. er warf ihr einen vermeintlichen rettungsring aus liebe zu und zog sie in sein bordell im ersten wiener gemeindebezirk. ihr neues zuhause. wo ihre geschlechtsteile sie zur beliebten frau machten.