ottilie stark geb. haidl
1528-1563

ein würdiger name

lange bevor ottilie den stark friedl heiratete, trug sie den namen in sich. sie kam als festes knäuel äußerster willenskraft zur welt und blieb das einzige kind ihrer eltern. alle geschwister vor und nach ihr waren fehl- und totgeburten. in ottilie war offenbar die kraft aller den haidls geschenkten kindern vereint. als einzigste blieb sie auch die beliebteste der eltern. ihr vater, der otto, war ein angesehener goldschmied, der den adel bis nach wien, mailand und weiß-gott-wo-noch belieferte. nachdem ihm der sohn fehlte, dem er das handwerk hätte anlernen können, überlieferte er sein wissen der starken ottilie, die es liebte an der seite ihres vaters die goldschmiederei in ihr blut übergehen zu lassen.

sie brannten für die schönheit

sie brannten beide für außergewöhnliches schmuckwerk. otto und ottilie liebten alles schöne. schöne kleider, schöne stoffe, schönen schmuck, schöne haare, schöne accessoires. da otto (der ein paar jahrhunderte später sicherlich eine adrette drag queen gewesen wäre) sich selbst nicht in elegante frauenkleider zwängen durfte, erfreute er sich an den fashion-shows der jungen ottilie und überhäufte sie mit kleidern, die er beim benachbarten schneider hunzler nach seinen vorstellungen anfertigen ließ. die mutter war einfacher und trug das, was ihr praktikabel erschien. zwei fashionistas in der familie reichten, beschloss sie und betete lieber.  hach, was war das doch eine feine glimmer-welt in der otto und ottilie lebten, in der sie ihre leidenschaft ausleben konnten und für ihre schmuckstücke gefeiert wurden.

wenn da nicht der neid gewesen wär

wenn da nicht der neid gewesen wär. die anderen goldschmiede und die nachbar:innen, die weniger hatten als die haidls, waren ihnen ihren erfolg neidig. da wurde geschwätzt, schwadroniert, gehässige reden geschwungen, gelästert und gelogen. was das zeug nur so hielt. als der otto krank wurde, wurde das böse gebrummel etwas leiser, milder, in der hoffnung, die ungerechtigkeit ihres glücks würde sich nun bald ins gegenteil verkehren. weil, die ottilie allein, würd das ding ja nicht schupfen können. is‘ ja nur ein mädel von 18 jahren. ein dummes, einfältiges. als der otto dann starb, verfiel auch die mutter dieser sorge und sah sich daraufhin flott nach einem heiratsfähigen mann um, der idealerweise die goldschmiede mit übernehmen sollte.

dann kam der friedl

fündig wurde sie in der schmiede selbst, denn da gab’s den friedl stark, der als lehrbub bei ihnen angefangen hat, sich zwar nicht als sonderlich herausragend, aber als loyal hervortat. dem sein herz ging über vor freude als er gebeten wurde, die ottilie zu heiraten, da er sie seit jahren begehrte und sich nach ihr verzehrte. die ottilie gar nicht nach ihm. aber das war allen beteiligten ringsum sie wurscht. und so ward hochzeit gefeiert, bei der sie in bling bling, samt, seide und hippen materialien jener zeit geworfen der schimmerndste und schönste lichtblick innsbrucks war. die hochzeitsnacht dahingegen war ein reinfall. ottilie weigerte sich die ehe mit dem friedl zu vollziehen. männer widerten sie generell an, ihr ehemann mit seinem lüsternen blick am meisten. der friedl war zum glück nicht sonderlich fordernd und setzte alles auf die hoffnung, sie würde irgendwann ihre meinung ändern. hat sie nie. so viel schon mal vorab. die geschäfte liefen weiterhin hervorragend. dies sehr zur enttäuschung der neider:innen. ottilie tat allein, wie sie es zuvor mit ihrem vater tat. der friedl blieb als schattenmann und lehrbub in der werkstatt und tat wie ihm befohlen. mit den jahren hingen immer mehr funkelnde klunker aus der goldschmiede stark an den körpern reicher käufer:innen. damit wurde die argwohn der anderen nicht kleiner. es waren schwere zeiten damals. alle klagten sie. über wenig arbeit, wenig geld, viel leid, wenig glück. alle bis auf ottilie. der friedl klagte nämlich auch. aber nicht des geldes, nein, der mangelnden liebe wegen. dieses klagelied trug er täglich in die wirtsstuben der stadt und füllte dort die leeren taschen der wirtsleute, die dankbar waren, dass zumindest einer noch zahlen konnte. und irgendwann hat die alkoholsucht den garaus mit dem friedl gemacht, weil der fusel, den er trank immer stärker wurde und final den kampf gegen die leber gewann. der ottilie war’s einerlei. sie tat weiter wie bisher.

die geliebte und der teufel

doch ohne ihren schattenmann explodierte das tratschwerk rund um sie. insbesondere als das gerücht aufkam, dass sie mit einer nachbarin, der stillen hermine, das bett teilte. irgendwie alles ziemlich teuflisch, munkelte man. die hermine verließ dann auch noch ihren treuen ehemann, der sie aus liebe gerne grün und blau schlug, und zog bei der ottilie ein. in der nacht hörte und sah man aus dem haus der starks höllisches grunzen und feurig-rotes licht. so trugen es die denunziant:innen den kirchenmännern vor, die eine kommission zur prüfung der umstände einberiefen. die wiederum stießen alsdann auf den belzebub, der offenbar ebenfalls ins haus der ottilie eingezogen war und mit ihr den ganzen lieben tag lang nicht nur wunderbare aber alles andere als himmlische goldstücke und vor allen dingen teuflische pläne schmiedete. schnell wurde die ottilie mitgenommen und ihr der hexenprozess gemacht. die ottilie gestand schließlich auch ihre komplizenschaft mit dem hinterlistigen luzifer. nicht weil es wahrheitsgetreu war, vielmehr weil man sie über tage gefoltert hatte und ihr es als das kleinere übel erschien demnächst hingerichtet zu werden. der richterliche urteil fiel schnell.

tod durch enthauptung

man gewährte ihr aus überragender freundlichkeit einen letzten wunsch. ottilie musste nicht lange nachdenken. sie ließ sich ein letztes kleid nach ihren wünschen und gemäß der letzten mode vom spanischen hof anfertigen. darin wollte sie ihren letzten gang tun. vor der versammelten masse ihrer neider:innen schritt sie stolz und erhobenen hauptes zum platz, wo der henker darauf wartete ihr den kopf abzutrennen. stolz und gesenkten hauptes tat er dies auch. ihr körper wurde im anschluss auf dem scheiterhaufen verbrannt. damit auch das letzte teuflische molekül der ottilie die irdische welt verließ. die innsbrucker atmeten auf. ihr schicksal aber änderte sich nach dem tod der goldschmiedin nicht.